Wissenschaft sichtbar und erlebbar machen

Wie kann erfolgreiche Wissenschaftskommunikation an der Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft gelingen? Mit dieser Frage beschäftigten sich die Teilnehmenden des Workshops „Kunst, Wissenschaft, Öffentlichkeit“, der am 16. und 17. Februar 2024 am Käte Hamburger Kolleg: Cultures of Research (c:o/re) in Aachen stattfand.

Computer

Sound Archiv Computersignale

Jana Hambitzer/ Käte Hamburger Kolleg c:o/re

Der Workshop wurde in Kooperation mit dem Projekt "Computersignale: Kunst und Biologie im Zeitalter des digitalen Experimentierens" organisiert, einer Forschungskooperation zwischen Kunst, Biologie und Geisteswissenschaften unter der Leitung von Prof. Hannes Rickli von der Zürcher Hochschule der Künste, an der KHK c:o/re-Direktorin Prof. Gabriele Gramelsberger seit langem beteiligt ist.

Gemeinsam mit den Teilnehmenden aus der Forschungsgruppe, vom PACT Zollverein in Essen und dem Knowledge Hub der RWTH Aachen University wurden verschiedene Praktiken der Wissenschaftskommunikation, insbesondere solche, die mit künstlerischen Formaten experimentieren, diskutiert. Ziel des Workshops war es, sich über Ideen und Best-Practice-Beispiele an der Schnittstelle von Wissenschaft und Kunst und die damit verbundenen kommunikativen Herausforderungen auszutauschen.

Soundarchiv aus wissenschaftlicher Forschung

Prof. Hannes Rickli eröffnete den Workshop, indem er das interdisziplinäre Forschungsprojekt "Computersignale" vorstellte, bei dem nicht die Forschungsergebnisse selbst, sondern die technischen Geräte und Medien der Forschungsarbeit in den Fokus gerückt werden. Rickli und das Projektteam tragen die biologischen Daten, die unter anderem aus der Forschungsinfrastruktur des biologischen Labors an der University of Texas in Austin von Hans Hofmann und des Unterwasserobservatoriums RemOS in Kongsfjorden, Spitzbergen von Philipp Fischer (Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung) stammen, in einem Audioarchiv zusammen. Dadurch wird die Forschungsarbeit sinnlich erlebbar und zur Reflektion über die Bedingungen von (naturwissenschaftlichem) Erkenntnisgewinn angeregt. In seinem Vortrag gab Rickli Einblicke in zwei Ausstellungen, in denen die experimentellen Arbeiten des Projekts in Form von Installationen und Soundarbeiten einem breiteren Publikum zugänglich gemacht wurden. Während des Workshops hat Valentina Vuksic, Künstlerin und Mitarbeiterin im Forschungsprojekt, ein Installationsformat eingerichtet, in dem das Soundarchiv erkundet werden konnte.

Vermittlung durch Hervorbringung von etwas Neuem

Zwei Personen beim Vortrag

Vortrag Prof. Gabriele Gramelsberger und Ana María Guzmán

Jana Hambitzer/ Käte Hamburger Kolleg c:o/re

Auch die Wissenschaftskommunikation am KHK c:o/re verfolgt den Ansatz, wissenschaftliche Experimente in ästhetische Erfahrungen zu transformieren. In ihrem Beitrag über die Wissenschaftskommunikation im Zeitalter der Digitalisierung gingen Prof. Gabriele Gramelsberger und Ana María Guzmán der Frage nach, wie ein gemeinsamer Rahmen für Gespräche zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit über Veränderungen in der Wissenschaft, beispielsweise durch die Digitalisierung, geschaffen werden kann und inwieweit sich künstlerische Formate dafür eignen. Als konkretes Beispiel aus der Praxis wurde dafür das gemeinsame Projekt der Künstlerin Aoi Suwa und Professor Masahiko Hara, Senior Fellow am KHK c:o/re, angeführt, das die Wahrnehmungsfähigkeiten von nicht lebenden Systemen und Maschinen untersucht und visualisiert. Wie im Projekt „Computersignale“ geht es auch hier um die Begrenztheit der menschlichen Beobachtung und die Möglichkeit, durch maschinelle Beobachtung Unsichtbares sichtbar zu machen.

Die Workshopteilnehmenden waren sich in der anschließenden Diskussion einig, dass gelungene Wissenschaftskommunikation nicht über die verdünnte Vermittlung wissenschaftlicher Fakten, sondern durch die Transformation dieser in etwas Neues, vor allem in Bezug auf Kunst in etwas gemeinsam Erlebbares, funktioniert.

Begegnung von künstlerischer Forschung und Öffentlichkeit

Der nächste Beitrag von Stefan Hilterhaus und Juliane Beck von PACT Zollverein Essen bot Einblicke in die künstlerische Praxis des Zentrums und stellte exemplarisch zwei Projekte vor, bei denen vor allem das subjektive Erleben von Kontexten, die erst durch die Performance sichtbar gemacht werden, im Vordergrund stand. „Pleasant Island“, das im Rahmen des transdisziplinären Symposiums IMPACT im Jahr 2019 realisiert wurde, thematisierte in Form eines Dokumentartheaterstücks die Entwicklung des Inselstaates Nauru im Pazifik nach der Entdeckung eines Phosphatreservoirs auf der Insel. Beim „Rimini Protokoll >DO's & DON'Ts<“ handelte es sich um eine Live-Performance, bei der die Zuschauenden in einem umgebauten LKW durch Essen fuhren und sich währenddessen mit den Regeln der Stadt auseinandersetzen. Die Arbeit von PACT Zollverein zeichnet sich durch einen praxis- und ergebnisoffenen Wissenstransfer aus, wobei die Ambiguität, die sich durch das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Wissenschaftskulturen ergibt, als produktive Vermittlungsmöglichkeit verstanden wird.

Neue Formate des Wissenstransfers

Anja Wehrle und Thorsten Karbach führten in ihrem Vortrag in die Strategien des Knowledge Hubs, einer Maßnahme aus dem Exzellenzantrag der RWTH Aachen University, ein, die mit jährlich wechselnden Schwerpunkten fokussiert gesellschaftlich relevante Themen ins Rampenlicht rücken. Die Initiative setzt sich zum Ziel, mit mutigeren, künstlerischen Zugängen an die Wissenschaftskommunikation das Vertrauen in gute Forschung und ihre Ergebnisse zu stärken. Vor allem Bühnenprogramme, wie Late Night-Formate, und aufwändige Videoproduktionen mit bekannten Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten, haben sich in der Adressierung neuer Zielgruppen erfolgreich etabliert.

Im darauffolgenden Gespräch wurde aufgrund der erwähnten Praxisbeispiele erneut die Bedeutung von Storytelling und der Erfahrbarkeit von Inhalten und Themen in der Wissensvermittlung hervorgehoben.

Perspektiven aus der Wissenschaft und Wissenschaftsforschung

Zwei Perspektiven als kommunizierende Wissenschaftler brachten Hans Hofmann, Neurowissenschaftler an der University of Texas in Austin und Christoph Hoffmann, Wissenschaftsforscher an der Universität Luzern, ein. In seinem Vortrag zeigte Hans Hofmann eindrücklich, wie hilfreich die transparente Visualisierung von Daten für die erfolgreiche Wissenschaftskommunikation ist und damit mehr Verständnis für die tatsächlichen Forschungsinhalte geschaffen werde kann.

Hans-Jörg Rheinberger schlug mit seinem Workshopbeitrag den Bogen zurück zur künstlerischen Praxis, indem er von seinen Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit der Künstlerin Katrin von Lehmann berichtete und die Ähnlichkeiten von Kunst und Wissenschaft hinsichtlich ihrer Verfertigungsvorgänge betonte. Bei beiden stünde häufig der Wunsch, dem Unbekannten auf die Spur zu kommen, im Vordergrund, wobei Überraschendes, was sonst im Verborgenen geblieben wäre, offengelegt würde.

Audifikation von Daten und Computerprozessen

Der Workshop schloss mit einer Live-Performance von Valentina Vuksic ab, in der sie künstlerische Formate aus dem Audiomaterial, das aus den Forschungslaboren in Austin und Spitzbergen stammt, vorführte. Die elektromagnetischen, elektrischen und mechanischen Aufnahmen blieben dabei unbearbeitet und wurden lediglich neu arrangiert und geschichtet.

Damit konnten die Teilnehmenden mit einem weiteren Beispiel für kreative und experimentelle Wissenschaftskommunikation sowie Inspiration und Ideen für gemeinsame Projekte auseinandergehen.

Weitere bildliche und akustische Eindrücke vom Workshop und der Performance von Valentina Vuksic sind auf dem c:o/re-Blog zu finden.

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